Ist der typische Kommunalpolitiker in Oberursel männlich?

SPD-Politikerinnen analysieren zum Internationalen Frauentag die Situation vor Ort.

Die stellvertretenden Vorsitzenden der SPD Oberursel, Elenor Pospiech und Doris Mauczok, sind dieser Frage anlässlich des Internationalen Weltfrauentags nachgegangen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Kommunalpolitik immer noch eine Männerdomäne ist. Daher fordern sie einen Aktionsplan für mehr Frauen in der Oberurseler Kommunalpolitik und auch in der Führung der städtischen Betriebe.

Auf den ersten Blick sehen die Zahlen bei den Bewerber*innen für die Stadtverordneten-versammlung gar nicht so schlecht aus: 44 Prozent oder 83 von 180 der Namen auf der Wahlliste sind die von Frauen. Beim genaueren Hinschauen kippt das Bild. Unter den acht Parteien, die sich zur Wahl stellen, sind drei Parteien, die maximal auf ein Viertel Frauen kommen. Von den derzeit 45 Stadtverordneten sind 17 Frauen oder 38 Prozent. Die Posten der Stadträte in Oberursel sowie die Geschäftsführungen der Eigenbetriebe sind zudem in männlichen Händen.
In Deutschland, so haben Mauczok und Pospiech auch recherchiert, liegt der Anteil der Bürgermeisterinnen unter zehn Prozent. In Oberursel tritt unter den acht Bewerbern für das Amt des Bürgermeisters/der Bürgermeisterin mit der SPD-Kandidatin Antje Runge nur eine Frau an. „Und 110 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts wäre sie die erste Bürgermeisterin in unserem Ort“, erläutert Elenor Pospiech.
„Zahlen, die nachdenklich machen“, erklärt Doris Mauczok und führt aus, dass es ihr und ihrer Kollegin nicht darum geht zu behaupten, Frauen würden die bessere Politik machen. „Mal abgesehen von demokratischen Gesichtspunkten, uns geht es darum, dass Kommunalpolitik einen großen Einfluss auf die Lebenssituation vor Ort hat. Wenn Frauen ihre Sichtweise, Kompetenzen und Erfahrungen einbringen, dann kann die Stadtgemein¬schaft davon nur profitieren.“
Unterschiedliche Sichtweisen von Frauen und Männern und ein guter Mix können zu einer anderen Qualität politischer Entscheidungen führen. Beide berufen sich auf eine McKinsey Studie (2007), die zeigt, dass dort wo erfolgreicher gearbeitet wird, verstärkt Frauen an den Entscheidungen beteiligt sind. Viele Unternehmen hätten dies bereits erkannt und in der Politik habe sich bereits einiges geändert und verbessert, doch für ein ausgewogenes Verhältnis gibt es nach Ansicht der Politikerinnen noch viel Entwicklungsraum.
„Wir haben uns beispielsweise gefragt, warum sind Frauen in politischen Gremien unterrepräsentiert, wir haben tolle und hoch qualifizierte Frauen auf der Liste, doch warum schaffen auch wir die paritätische Besetzung nur bis zum Platz 36?“, berichtet Elenor Pospiech. Denn ein Blick in andere ehrenamtliche Bereiche zeige: Frauen sind sehr engagiert – in Kindertagesstätten, Grundschulen, Sportvereinen und sozialen Organisationen. „Die Frauen engagieren sich in Tätigkeitsbereichen, die zeitlich begrenzt sind, die sie gemeinsam mit ihren Kindern wahrnehmen können und die flexibel in den Tagesablauf integriert werden können“, so Pospiech.

„Unsere Gespräche mit einigen dieser Frauen haben zudem bestätigt, was Studien zeigen“, führt Doris Mauczok aus. Viele Frauen können sich nicht vorstellen, Beruf und Familie mit den Sitzungszeiten und der Sitzungsdauer politischer Gremien vereinbaren zu können. Die politische Realität in vielen Kommunen sei immer noch geprägt durch die so genannten „Old-Boy Netzwerke“, und Entscheidungen, die in den Bierrunden und Parteisitzungen nicht selten intransparent festgezurrt werden. „Hiervon können sicherlich viele Frauen, parteiübergreifend ein Lied singen“, meint Elenor Pospiech.
Die Lösung könnte darin liegen, dass Oberurseler Politikerinnen sich besser partei-übergreifend vernetzen und einen Aktionsplan starten und Strategien erarbeiten. Gemeinsam könnten die Politikerinnen dann folgende Fragen in Angriff nehmen: Braucht es eine Neuordnung der althergebrachten, kommunalen Versammlungsstrukturen? Braucht es Strukturen, die sich nur einzelnen Themen zuwenden und zeitlich kürzer agieren, so dass wie in einem Projekt die Mitarbeit temporär ist? Werden Strukturen benötigt, die die physische Anwesenheit zum Teil ersetzen könnten? „Hybrid-Formate, wie wir sie derzeit erleben, bei denen ein Teil der Teilnehmer sich über Videokonferenzen zuschaltet, könnten eine Lösung sein“, summiert Elenor Pospiech. „Ich wäre dann wahrscheinlich eher wieder politisch aktiv geworden, denn so wäre Beruf, Familie und politisches Engagement zu vereinbaren gewesen.“
In Gemeinden mit einem hohen Anteil an Frauen in der Kommunalpolitik wie beispielsweise in Offenbach habe sich gezeigt, dass weibliche Vorbilder helfen, jüngere Frauen für Politik zu begeistern. „Oberurseler Kommunalpolitikerinnen könnten beispielsweise über ihre Arbeit in Schulen berichten oder, wie in anderen Orten bereits erfolgreich praktiziert, wir könnten einen Girls Day in der Politik anbieten“, skizziert Mauczok eine ihrer Ideen. Und für Eltern, die sich politisch engagieren, könnte Elenor Pospiech sich auch vorstellen, dass die Kosten für die Kinderbetreuung während Sitzungszeiten erstattet werden.
Das Fazit für Mauczok und Pospiech: Überzeugen und werben und die Rahmenbedingungen verbessern, das muss die Devise sein. Damit werde vielleicht die Diskussion um Quoten überflüssig. Und Doris Mauczok hat einen weiteren Vorschlag parat: „Wie wäre es mit der 1. Stadtverordnetenvorsteherin in Oberursel nach der Wahl?“