Erster Klimadialog der SPD OBERURSEL …
„Es ist Klimawandel, wir sind mittendrin und stellen uns heute die Frage, was können wir vor Ort tun“, so eröffnete Elenor Pospiech, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der SPD Oberursel den ersten Klimadialog der SPD Oberursel. Im Mittelpunkt des ersten virtuellen Austauschs stand die Energiewende vor Ort und die Frage, wie beispielsweise eine Bürgergenossenschaft viele beteiligen kann.
Gesprächspartner von Elenor Pospiech waren Christian Netzel, SPD-Stadtverordnetenkandidat, engagierter Umweltschützer und Vorstandsmitglied des BUND, und Frank Sibert, Vorstandsmitglied der SPD Oberursel. Sibert ist als Head of Sustainability einer französischen Bank ausgewiesener Fachmann zum Thema. Als Gast und Impulsredner hatte die SPD Oberursel Günter Bouffier aus Hofheim gewinnen können. Bouffier, langjähriger Kommunalpolitiker für die SPD, ist Vorstand der SolarInvest Main Taunus, einer Bürger-Energie-Genossenschaft mit dem Ziel der umweltfreundlichen und nachhaltigen Erzeugung von Energie. Der Einladung zu dem Austausch waren zudem über 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gefolgt.
Über eine Tatsache waren sich die Gesprächspartner klar: Lebenswerte Bedingungen auf der Erde lassen sich nur erhalten, wenn die Gesellschaft so schnell wie möglich weg vom Verbrauch endlicher Ressourcen und hin zu erneuerbaren Energien kommt, und so die Energiewende in kürzest möglicher Zeit gelingt.
Erneuerbare Energien – dazu gehören vorrangig Wind, Wasser, Sonne und Wind und Wasser sind im Ballungsraum Rhein-Main keine Option. Die Sonne steht als Energiequelle unbegrenzt, umweltfreundlich und kostenlos zur Verfügung. Pospiech wartete mit Fakten auf: Strom aus Sonnenenergie habe sich seit 2010 – also in zehn Jahren – verdoppelt und die Leistung aller Photovoltaikanlagen in Deutschland liegen derzeit bei 49 GigaWatt. „Um das Steuer herumzureißen benötigen wir nach Berechnungen des Energieunternehmens Lichtblick in Deutschland jedes Jahr 10 GigaWatt Zuwachs“, erläuterte Pospiech. 2019 habe der Zuwachs bei 4 GigaWatt gelegen.
„Wenn 72 Prozent der Befragten in einer Umfrage des Instituts YouGov sich beispielsweise für Photovoltaik auf Wohnhäusern ausgesprochen haben, wie können wir das lokal umsetzen“, fragte Pospiech ihre Gesprächspartner. Eine Möglichkeit nannte Frank Sibert. Er habe beispielsweise seit mehreren Jahren eine Photovoltaikanlage auf seinem Drei-Familienhaus, die auch die Mieter mit Strom versorge. Und das für zwei Cent unter dem Strompreis des lokalen Anbieters. Das Konzept Mieterstrom könnte auch bei größeren Projekten eingesetzt werden, so Sibert.
In Oberursel sind derzeit 3,5 MWpeak Photovoltaik in Oberursel installiert. Das entspricht einer jährlichen Energie von 3,15 GWh/a. Das sind 0,34% des Gesamtverbrauchs in Höhe von 933 GWh/a. In anderen Worten, mit Photovoltaik-Anlagen auf privaten Dächern allein sei die Energiewende bisher nicht zu schaffen. Im Nachbarkreis Main Taunus produziert SolarInvest als eine von etwa 1.000 Bürger-Energie-Genossenschaften in Deutschland vor Ort so viel Strom, dass damit etwa 125 Vier-Personen-Haushalte pro Jahr klimaneutral mit Strom versorgt werden könnten, erläutert Günter Bouffier. Photovoltaikanlagen der SolarInvest seien im Main-Taunus-Kreis vornehmlich auf öffentlichen Gebäuden wie z.B. auf den Dächern der Feuerwehr oder der Kläranlage installiert.
Gegründet wurde die SolarInvest von zehn engagierten Bürgerinnen und Bürgern. „Die Idee war es, in der Region die benötigte Energie nachhaltig und dezentral zu erzeugen und zu verwenden“, erklärt Bouffier. „Wir wollten den Bürgern und den Kommunen zeigen, dass es sich lohnt, im privaten und kommunalen Sektor nachhaltig und umweltschonend zu agieren.“
Heute zählt SolarInvest knapp 250 Mitglieder, darunter auch die Gemeinden Hofheim, Eschborn, Flörsheim, Eppstein, Liederbach und Kriftel. Mitglied werden kann jeder mit einem Genossenschaftsbeitrag ab 100 Euro. 2019 hat die SolarInvest erneut einen Jahresüberschuss erwirtschaftet, der in Höhe von 2,5% der Genossenschaftsanteile an die Mitglieder ausgeschüttet wurde. Christian Netzel fasst die Vorteile zusammen. „Man kommt vom Konsumieren zum Mitmachen. Wer beispielsweise in Hofheim spazieren geht, kann auf Dächer zeigen und sagen, daran bin ich beteiligt.“
Insgesamt 15 Anlagen betreibt SolarInvest, die 500.000 kWh Strom oder 0,5 GW im Jahr produzieren. „Die Herausforderung ist es, Dachflächen zu finden“, beschreibt Bouffier den Vorgang. „Kapital zur Finanzierung ist kein Problem und auch erfahrene Solateure, die die Photovoltaik auf das Dach bringen, stehen ausreichend zu Verfügung.“ Eigentümer der Dachflächen verpachten diese an die SolarInvest. Beispielsweise eine 150 kWp Photovoltaik-Anlage auf den Stadtwerken in Hofheim. „Zusammen mit der Hofheimer Wohnungsbaugesellschaft bauen wir zudem eine Anlage, die die Mieter mit Sonnenstrom vom Dach versorgen wird.“
Die Teilnehmer brachten sich auch mit Informationen und Fragen ein. Dieter Gredig, Technischer Leiter der Stadtwerke Oberursel wies auf die Genossenschaft „Neue Energie Taunus“ hin, eine Tochtergesellschaft der Stadtwerke, und ergänzte, dass die Stadtwerke in den vergangenen Jahren die Dächer kommunaler Gebäude für die Nutzung von Photovoltaik überprüft hätten. Das Ergebnis: Der Zustand der meisten Dächer lasse eine Nutzung nicht zu.
Heinz Jungermann von der Lokalen Oberurseler Klimainitiative schlug vor, dass Klimaschutzkonzept, das Ziele und Maßnahmen umfasse, konsequent umzusetzen. Rieke Boenisch wies darauf hin, dass beispielsweise Eschborn ein klares Bekenntnis zur Solarstadt abgegeben habe. Man nutze Fördergelder über die neue Richtlinie zur Förderung von Klimaschutzmaßnahmen zur Bürger-Solarförderung von privaten Photovoltaik-Dachanlagen, Stromspeichern, häusliche Ladestationen für Elektroautos und Stecker-Photovoltaik-Anlagen für den Balkon.
Eine Möglichkeit bieten vor allem Neubauten, wo Photovoltaik von Anfang an mitgeplant werden könne, informierte Pospiech. In Baden-Württemberg müssen ab 2022 alle öffentlichen und gewerblichen Neubauten mit Photovoltaik ausgestattet werden. In Bayern ab 2021, ab 2022 auch private Neubauten. Hamburg, Bremen und Bremerhaven wollen „Solar Cities“ werden, erst einmal bei Neubauten, später auch verpflichtend bei Dachsanierungen.
Oberursel hat mit Sicherheit Nachholbedarf bei der Errichtung von Photovoltaikanlagen. Die SPD will sich dafür einsetzen, dass sich das ändert.