Reitverein und Anwohner befürchten: Bad Homburgs Pläne zum „Neuen Philippspark“ bedrohen RVO-Existenz und zerstören gewachsenen Kulturraum.
Über 50 besorgte Bürgerinnen und Bürger aus Oberstedten und Dornholzhausen folgten am Freitag, 17.7.2020, der Einladung der Oberstedter und Oberurseler SPD zur Ferienfraktion“. Geplant waren der Rundgang um den Reitverein Oberstedten, der „Akademie für Gesundheit“ und der Tannenwaldallee und ein Dialog zwischen Politikern und Bürgern.
Beherrschendes Thema des Rundgangs waren die Pläne Bad Homburgs, diesseits und jenseits der Tannenwaldallee einen 35 ha großen Freizeitpark für die Landesgartenschau 2027 zu errichten. Bürgermeister Hans-Georg Brum und SPD-Bürgermeisterkandidatin Antje Runge sowie den Vertretern aus Ortsbeirat und Stadtverordnetenversammlung schlug eine überwiegend ablehnende Haltung dazu entgegen.
Der Reitverein Oberstedten, vertreten durch Betriebsleiterin Julia Maaß und den 2. Vorsitzenden Dr. Hans-Otto Sieg, empfinden einen „Funpark“ als eine „Katastrophe“ für den Reitbetrieb mit seinen 37 Pferden, 250 Mitgliedern, darunter 170 in Reitschule und Voltigierabteilung aktiven Kindern, von denen fast die Hälfte aus Dornholzhausen kommt. Pferde seien Fluchttiere und bräuchten ein ruhiges Umfeld, betonten Maaß und Sieg unisono. Und für die Reitschule benötige der RVO ein ruhiges Ausreitgelände. Die Tannenwaldallee werde beispielsweise häufig für den Ausritt mit Reitschülern genutzt, da dem Verein nach wie vor ein gesicherter Zugang zum Wald fehle.
Sorgen macht Maaß und Sieg auch, dass ein Drittel der gepachteten Koppeln des für seine Pferdehaltung ausgezeichneten Schulbetriebs auf Homburger Gemarkung liege, wie auch ein Teil des Außenreitplatzes. Ohne eine ausreichende Anzahl an Koppeln und ein ruhiges Umfeld seien der Reitbetrieb und der Reitverein existenziell bedroht.
Die anwesenden Bürgerinnen und Bürger aus Oberstedten und Bad Homburg sowie die Vertreter der Bürgerinitiative „Pro Hasengärten“ sehen die Bad Homburger Landesgartenschaubewerbung mehr als kritisch. Natur und Landschaft an der Tannenwaldallee präsentieren sich als hervorragendes Ensemble für die Naherholung, betonte James Chamberlain aus Dornholzhausen. „Das ist unsere Flaniermeile.“ Er berichtete von einer massiven Ablehnung der Dornholzhäuser gegenüber den Homburger Plänen. Die Nachbarn in Dornholzhausen befürchteten Rummel und Verkehr an der Tannenwaldallee. Das aber gehöre dort nicht hin.
In diese Kerbe schlug auch Volker Thier von der Oberstedter Bürgerinitiative „Pro Hasengärten“, dem an Dornholzhausen angrenzenden Gebiet: Die Bad Homburger Pläne für einen Freizeitpark auf beiden Seiten der Tannenwaldallee seien ein „massiver Eingriff“ in Landschaft und Natur. „Ein Gewinn ist nicht erkennbar“, konstatierte er. „Und was die Jugendlichen angeht: Die suchen sich ihre coolen Treffpunkte und haben eigene Vorstellungen.“
Die Oberstedter SPD-Vorsitzende und Oberurseler Stadträtin Elenor Pospiech moderierte die Ferienfraktion am Ortsrand und konnte die Bedenken des Reitvereins und der Anwohner gegen das Projekt gut nachvollziehen. Und SPD-Stadtverordnete und Ortsbeirätin Jutta Niesel-Heinrichs pflichtete ihr bei: Die SPD Oberstedten werde sich mit ganzer Kraft dafür einsetzen, das ruhige Naherholungsgebiet und den „Kulturraum Tannenwaldallee“ zu erhalten.
Bürgermeister Hans-Georg Brum erklärte, dass er in der kommenden Woche ein Gespräch mit seinem Homburger Kollegen Hetjes vereinbart habe, um sich über die genauen Absichten der Nachbarstadt zu informieren. Gewisse Veränderungen und Neuerungen in dem Bereich wollte Brum nicht generell ausschließen.
Bürgermeisterkandidatin Antje Runge begrüßt den Dialog zwischen den Städten, da noch viele Fragen vollkommen offen seien, beispielsweise sieht sie die Verkehrsführung skeptisch. Auch möchte Runge Jugendliche einbeziehen: „Die aktive Beteiligung von Jugendlichen in eine Planung ist wichtig, wenn sie die Zielgruppe von neuen Projekten sind. Freizeitangebote müssen für eine Akzeptanz gemeinsam entwickelt und Standorte überprüft werden.“
Bei der letzten Station des Rundgangs, der als Reformhausfachakademie bekannten „Akademie Gesundes Leben“, informierten sich die SPD-Vertreter und die Teilnehmer bei Geschäftsführer Ulrich Jentzen über die Philosophie und das Angebot der bundesweit bekannten Weiterbildungsstätte. „Unsere Angebote werden sehr gut angenommen. Die Akademie und das Biohotel sind hervorragend ausgelastet.“
Die Akademie entstand aus der „Lebensreformbewegung“ im 19. Jahrhundert. Die Trägerstiftung bildet seit über 60 Jahren in Oberstedten Reformhausmitarbeiter aus. Mit der 1992 ins Leben gerufenen Akademie habe man sich für Menschen mit Interesse am Thema Gesundheit geöffnet und mit den Seminaren ein zweites Standbein aufgebaut, so Jentzen. Außerdem würden Biohotel und Seminarräume auch beispielsweise von Unternehmen für Veranstaltungen genutzt. Alle Angebote fallen unter die Themen „Ganzheitliche Gesundheit“ und Nachhaltigkeit. Beides sei ebenfalls konsequent in Architektur, Baubiologie und rein biologischer Verpflegung umgesetzt, führte Jentzen aus.
Den Standort Oberstedten schätze die Akademie wegen der Nähe zur Natur. „Der Standort ist für uns essentiell. Das ist Natur pur“, bekannte Jentzen. „Ein Freizeitpark passt nicht zu uns und nicht zu Oberstedten“. Jentzen befürwortet zwar das Konzept der Wiederherstellung der alten landgräflichen Gärten, sieht aber in den Plänen für den neuen Freizeitpark einen nicht nachvollziehbaren Kurswechsel, der Äcker, Erholungsflächen und vor allem schöne Blickachsen zerstören könnte. Aus seiner Sicht passe das eigentlich nicht zu Bad Homburg. Für dieses Statement erhielt er von den Teilnehmern des diskussionsfreudigen Rundgangs, der im großen Garten der Akademie endete, viel Applaus.