In der Stadtverordnetenversammlung hielt Fraktionsvorsitzender Dr. Eggert Winter nachfolgende Rede zum Haushalt 2016.
Wir waren bis Mitte diesen Jahres mit der Konsolidierung des Haushaltes eigentlich auf einem guten Wege.
Die ausgesprochen positive Entwicklung der Gewerbesteuer-einnahmen hätte uns 2016 eigentlich einen ausgeglichenen Haushalt bringen können.
Eigentlich! Hätte hätte Fahrradkette!
Leider ist es ganz anders gekommen. 37 Mio , meldete die Finanzverwaltung, seien von der Stadt an ein Oberurseler Unternehmen an Gewerbesteuer nebst Zinsen zurückzuzahlen. Für den Haushalt 2016 hat dies die Folge, dass der Ergebnishaushalt mit einem deprimierenden Defizit von 23 Mio abschließt.
Ein Schlag ins Kontor, von dem wir uns nur über mehrere Jahre erholen können und der die Verschuldungssituation der Stadt für mehrere Jahre wieder kräftig steigen lässt.
Das Defizit von 23 Mio hat uns aber Demut gelehrt und dazu geführt, dass alle Fraktionen mit ihren Anträgen deutlich Zurückhaltung geübt haben.
Doch wie konnte es zu einer Gewerbesteuerrückzahlung in dieser Dimension kommen?
Ursache war ein Fehler des Bundesgesetzgebers aus dem Jahre 2001, den der Gesetzgeber im Jahre 2005 reparieren wollte. Der Versuch misslang. Denn das Bundesverfassungsgericht stellte im Dezember 2013 auf einen Vorlagebeschluss des FG Münster vom Jahre 2008 fest, dass auch der vorsätzlich riskante Reparaturversuch des Jahres 2005 wegen verbotener Rückwirkung verfassungswidrig war. Erst daraufhin konnte schließlich im Juli 2014 vom Bundesfinanzhof endgültig festgestellt werden, was an Gewerbesteuer aus der Veranlagung 2001 aufgrund dieser beiden Fehler zurückzuzahlen ist.
Durch die lange Dauer des Verfahrens ist dem Unternehmen ein Zinsschaden von 7 Millionen zuerkannt worden , den die Stadt Oberursel aus ihren Steuermitteln tragen soll. Obwohl sie für den ganzen Schlamassel keinerlei Verantwortung trägt.
Dies ist ein ganz ärgerlicher Umstand, der – wenn nicht schon der Gesetzgeber wegen seiner gesetzgeberischen Fehler haften muss – so doch zumindest zu der Prüfung führen sollte, ob diese ungerechtfertigte Belastung bei der Berechnung der Kreisumlage Berücksichtigung finden kann.
Ja, die Stadt war mit der Konsolidierung des Haushaltes eigentlich auf einem guten Wege.
Warum?
Weil erfreulicherweise festzustellen ist, dass wir in einer prosperierenden Stadt leben, die dank ihrer Unternehmen der Stadt gute Steuereinnahmen verschaffen.
Das sind die Früchte einer vorausschauenden Gewerbeansiedlungspolitik, die – sehen wir von den vorhandenen Großunternehmen ab – insbesondere im Areal An den Drei Hasen und im Bereich Zimmersmühlenweg zur Ansiedlung und Erweiterung einer Reihe mittelständischer Betriebe geführt hat.
Diese seit gut einem Jahrzehnt anhaltende positive Entwicklung Oberursels, die zusammen mit Lage und Landschaft auch durch eine hervorragende soziale und verkehrliche Infrastruktur befördert wird, verstärkt allerdings einen Effekt, der uns als Kommune verschärft umtreiben muss.
Denn die Attraktivität des Arbeits und Wohnstandorts Oberursel führt dazu, dass Wohnungen – und ich meine hier Mietwohnungen – nicht nur für Geringverdiener, sondern auch für viele Normalverdiener kaum noch und für manchen auch nicht mehr erschwinglich sind.
Dies sieht auch die Landesregierung so, die jüngst für Oberursel die Mietpreisbremse verordnet hat.
Damit ist das Themenfeld bezahlbares Wohnen aufgemacht.
Das beschäftigt zwar die Stadtverordneten seit einiger Zeit in den Ausschusssitzungen allerdings fruchtlos. Konkretes ist bislang weder entwickelt noch beschlossen. Dabei drängen die Umstände und Lösungen werden dringlicher. Wir haben durch parteipolitisch motiviertes Taktieren auf diesem Felde mindestens ein Jahr verloren.
Im Januar 2015 hat die SPD-Fraktion beantragt, für ein der Stadt gehörendes Areal am Rande des Friedhofs an der Geschwister- Scholl-Straße – einen Vorschlag des BSO und der interfraktionellen Arbeitsgruppe Friedhofswesen aufnehmend – eine Ausschreibung zur Bebauung mit preisgünstigen Mietwohnungen auf den Weg zu bringen.
Immer noch wird dieser Antrag dilatorisch behandelt. Dabei hätte bereits heute ein Ausschreibungsergebnis und eine Umsetzungsplanung vorliegen können.
Die Bürgerschaft darf ob dieses Verhaltens durchaus den Eindruck haben, dass die Stadtverordneten zwar gerne das Wort vom bezahlbaren Wohnen im Munde führen, es aber nicht ganz so erst damit meinen. Schade!
Die SPD-Fraktion schlägt zum Haushalt zwei Initiativen vor, die mehr Bewegung in diese dringende Frage bringen sollen:
Einmal sollen Planungskosten für solche Projekte wie das in der Geschwister-Scholl-Straße eingestellt werden.
Zum anderen sollen in einem Pakt für bezahlbaren Wohnraum an einem Runden Tisch die Akteure des Wohnungsbaus nämlich Stadt, Architekten, Baugesellschaften und -genossenschaften zusammengebracht werden, damit gemeinsam mögliche Projekte von preisgünstigem Mietwohnungsbau in Oberursel besprochen und auch gemeinsam in Angriff genommen werden.
Es geht dabei knapp umrissen um die Themen Mobilisierung von Flächen, Senkung der Baukosten mit all seinen Implikationen, Unterstützung durch die Bauleitplanung und Erleichterung beim Rechtsrahmen.
Eine weitere Bommersheim-Süd-Diskussion sollte dabei vermieden werden; klar ist aber auch, dass die Mobilisierung kleinerer Flächen dort kein Tabu sein kann. Zu prüfen ist, wie hier an die vorhandene Bebauung übersichtliche Projekte angeschlossen werden können.
In diesem Zusammenhang gehört eine weitere dringende Frage: wie können die Flüchtlinge, die jetzt in den Turnhallen untergebracht sind und von denen viele bis auf Weiteres in Oberursel bleiben, untergebracht werden?
Die Verwaltung ist dabei, Häuser und Gebäude in Oberursel, die sich durch Umbau kurzfristig als Wohnungen herrichten oder umwidmen lassen, zu finden. Ob dies ausreicht, wird man sehen.
Ich halte es allerdings nicht für hilfreich, wenn die Frage der Unterbringung der Flüchtlinge sogleich verknüpft wird mit der Frage nach dem Bau bezahlbaren Wohnraums. Letzteres ist eine Frage, die unabhängig von der Flüchtlingsunterbringung ihre Bedeutung hat und voran gebracht werden muss.
Das Thema der Unterbringung der Flüchtlinge führt uns unmittelbar zu einer weiteren den Haushalt betreffenden Forderung der SPD-Fraktion:
Schon jetzt wird Personal der Verwaltung in erheblichem Umfang für die Betreuung der Flüchtlinge beansprucht. Vor dem Hintergrund, dass die Verwaltung mit deren Betreuung auch in den nächsten Jahren konfrontiert sein wird, wird die Aufgabe vom vorhandenen Personal nicht ohne Einbußen bei der Erledigung der übrigen Aufgaben bewältigt werden können. Das kann nicht sein.
Deshalb beantragen wir, befristet auf zwei Jahre eine Stelle für die Koordination und Bewältigung der neuen Aufgabenstellungen (Stichworte: Unterkunft, Kinderbetreuung, Sprache, Arbeit), die häufig jenseits von Zuständigkeiten auf die Mitarbeiter zukommen, zu schaffen.
Bei dieser Gelegenheit gebührt all jenen, die sich in der Verwaltung und ehrenamtlich seit Wochen mit allen Kräften, manchmal am Rande der Leistungsfähigkeit, für die Flüchtlinge einsetzen, unser besonderer Dank. Man kann nur hohe Achtung und Bewunderung dafür haben, wie die schnelle Unterbringung, Versorgung und Betreuung von 600 Menschen fast aus dem Stand organisiert wurde und wird.
Die Attraktivität der Innenstadt als Einkaufsort und Treffpunkt der Menschen leidet, sie leidet an der Schließung von Läden, sie leidet an der Angebotsstruktur, leidet aber auch an der falschen Markteinschätzung mancher Neueröffnung. Oft kann der einheimische Beobachter schon vorher sagen, dass der Geschäftsidee kein langes Leben beschieden sein wird. Und viele Eigentümer dort scheint der Zustand der Innenstadt und damit die Zukunft ihrer Immobilie immer noch nicht zu kümmern.
Mit der Bau des Rompel-Areals wird ein Zeichen gesetzt, dass der Zünder sein kann für neue Aktivitäten in der Innenstadt.
Zunächst aber werden Kunden und Ladeninhaber im Umkreis um die Baustelle leiden.
Um dem etwas entgegenzusetzen, plädieren wir für weitere Marketing-Maßnahmen und schlagen auch Mittel dafür vor. Zusammen etwa mit dem fokus O können daraus Aktionen entwickelt werden, die Menschen in die Innenstadt bringen.
Dem dient auch das städtische Großprojekt, dass wir schon lange vor uns her tragen, die Umgestaltung des Rathausareals, auf dem die Stadt auf eigener Fläche Angebote schaffen und ermöglichen kann, die wir dringend in der Innenstadt brauchen.
Das Thema Vereinsförderung, um das im Vorfeld der Kommunalwahl mit nicht geringem Aufwand gebuhlt wird, spielt für den Zusammenhalt der Gesellschaft eine wichtige Rolle. Auch sie muss sich aber den Restriktionen der Haushaltslage fügen.
Der Haushalt sieht hier im investiven Bereich für den Neuaufbau von zwei Fußballfeldern erhebliche Mittel vor.
Das ist in der mittleren Perspektive angesichts der großen Zahl der Fußball spielenden Kinder und Jugendlichen in den Vereinen eine richtige und wichtige Maßnahme. Es ist aber auch ein Beitrag zum Großthema Integration.
Zusammen mit einer systematischen Aufarbeitung im Bereich der Renovierung und Pflege der Vereinshäuser der Sportvereine im Sportstätten-Entwicklungsplan, aber ebenso bei den übrigen Vereinshäusern, sind wir auf einem guten Weg, die sächliche Infrastruktur der Vereine mit diesen Stück für Stück zu modernisieren.
Einige Worte zu den Anträgen der OBG.
Die OBG hat ein nicht uninteressantes Spektrum teilweise danebenliegender, teilweise diskutabler Anträge. Zwei Anträge sind dabei erfolgreich, weil sie vertretbar etwas Geld in die Kasse bringen: Die geringfügige Erhöhung der Spielapparatesteuer und die Einführung einer Zweitwohnungssteuer, wie sie die umliegenden Gemeinden schon haben. Gegen diese Steuer hat sich der Kämmerer zwar vehement gewährt. Sie dürfte im Ergebnis aber durchaus einen stetigen Beitrag zur Einnahmeverbesserung bringen.
Für nicht schlüssig halten wir die populäre Forderung, auf die geplante Erhöhung der Grundsteuer B ganz zu verzichten, wohl aber die Gewerbesteuer schon im Jahre 2016 zu erhöhen. Dies dürfte uns nicht in die Lage versetzen, den Haushalt auf Dauer zu sanieren. Möglicherweise möchte die OBG aber die Kommunalaufsicht an die Einführung einer Straßenbeitragssatzung erinnern. Wir lehnen die Anträge der OBG dazu ab.
Zum Schluss ein ehrlich gemeinter Dank an den Kämmerer und die Mitarbeiter der Kämmerei. Sie haben mit dem Haushalt 2016 ein immer informativeres Werkzeug geschaffen haben; insbesondere bei den Abschnitten außerhalb des eigentlichen Haushaltsplans ist von den Mitarbeitern ungeheuer viel Material gut verständlich zusammengetragen und in vielen Statistiken und Diagrammen zusammengestellt worden. Diese Lektüre lohnt sich auch für denjenigen, der sonst nichts mit dem Haushalt am Hute hat. Dafür vielen, vielen Dank.